Der Nord-Ostsee-Kanal gehört für drei Tage den Anglern und Sportbooten. Seit Montagabend werden keine Schiffe in die meistbefahrene künstliche Seewasserstraße eingeschleust. Der volkswirtschaftliche Schaden geht in die Millionen.
Die Gewerkschaft Verdi hat den Nord-Ostsee-Kanal lahmgelegt und will damit Druck auf die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst ausüben. Seit Montagabend hat kein Schiff mehr in Brunsbüttel oder Holtenau in den Kanal eingeschleust.
Die Ruhe auf dem Nord-Ostsee-Kanal bedeutet für Lotsen, Kanalsteurer und Schiffsmakler heftige Verdienstausfälle. Der volkswirtschaftliche Schaden des Warnstreiks ist weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus enorm. Jeder Tag, an dem der Nord-Ostsee-Kanal gesperrt ist, schlägt mit einen „Wohlstandsverlust“ von über 1,5 Millionen Euro in Deutschland zu Buche. Diesen Wert hatte ein Gutachten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) 2021 ergeben.
„Der Streik trifft uns sehr schwer. Die Kollegen sitzen rum und warten auf Donnerstag“, sagt Klaus Peter Molter, Vorsitzender des Vereins der Kanalsteurer. Die 125 Mitglieder steuern große Schiffe durch den Kanal. Sie müssen ausharren bis zum Ende des Warnstreiks, genauso wie die rund 300 Kanallotsen der beiden Brüderschaften NOK I und II in Brunsbüttel und Kiel sowie die Mitarbeiter der Schiffsausrüster und Schiffsmakler. Mehr als 3000 Arbeitsplätze hängen am Kanal.
„Die Kunden sind wenig begeistert. Es betrifft 70 bis 80 Schiffe pro Tag, die jetzt um Skagen fahren“, sagt Jan Klein, Geschäftsführer der Maklerei UCA United Canal Agency. Neben dem Ausfall an Einnahmen gibt er noch einen anderen Aspekt zu bedenken. „Wenn der Kanal gesperrt ist, bedeutet das auch mehr Ausstoß an klimaschädlichem CO2. Die 70 bis 80 Schiffe bleiben ja nicht liegen und warten. Sie fahren jetzt mit hohem Tempo um Skagen und versuchen so die Fahrpläne einzuhalten“, sagt Klein.
Ein Beispiel dafür ist die Reederei Maersk Line aus Kopenhagen. Ihr Containerschiff „Laura Maersk“ passierte am Montagnachmittag als eines der letzten auf der Reise von Bremerhaven nach Fredericia den Kanal. Die Rückfahrt nach Bremerhaven entfällt, da das Schiff dann von Göteborg über Skagen fährt.
„Die Streikbereitschaft bei den Mitgliedern ist sehr hoch“, sagt Frank Schischefsky von der Gewerkschaft Verdi. Verdi hat mit einer Handvoll Mitgliedern den Kanal lahmlegen können. Da viele Stellen in den systemrelevanten Bereichen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Nord-Ostsee-Kanal heute mit Angestellten statt Beamten besetzt sind, sitzt Verdi hier am längeren Hebel.
So auch in der Verkehrszentrale in Brunsbüttel, dessen Nautiker den Kanal überwachen. In den früheren Jahren waren die Streikaufrufe hier nicht selten ins Leere gelaufen, da fast alle Posten mit Beamten besetzt waren.
Gewerkschaftsmann Schischefsky fordert auch die Verdi-Mitglieder bei Maklern und Kanalsteurern zum Solidaritätsstreik auf, damit auch sie Streikgeld bekommen können. „Das hat bestimmt auch der eine oder andere Kollege gemacht. Das Streikgeld füllt aber nicht halbwegs die Ausfälle auf, die wir beim normalen Betrieb hätten“, sagt Kanalsteurer Molter.
„Der Streik schädigt außerdem das Image des Nord-Ostsee-Kanals in dieser schweren Zeit noch weiter“, kritisiert Jens-Broder Knudsen von der Initiative Kiel Canal.
Zu den letzten Schiffen im Kanal gehörte in der Nacht zum Dienstag die Marine. Die durch einen Sabotageversuch bekannt gewordene Korvette „Emden“ hatte am Montag die Hamburger Werft extra früher verlassen. Kurz nach 20 Uhr schleuste sie als vorletztes Schiff in Brunsbüttel ein.
Ganz leer ist der Kanal aber dennoch nicht. In Kiel und auf dem Ostende fahren weiterhin die Baggerschiffe. Die Ausbauarbeiten gehen weiter. „Für den Verkehr dieser Schiffe brauchen wir keine Verkehrslenkung“, sagt Jörg Brockmann, Sprecher des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Nord-Ostsee-Kanal.
Quelle: Kieler Nachrichten vom 11.03.2025
Frank Behling
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